Warum Hunde Gras fressen: Ursachen, Erklärungen & wann Vorsicht geboten ist
Viele Hundehalter haben es schon einmal beobachtet: Ihr Hund knabbert genüsslich auf einer Wiese am Gras. Dieses scheinbar ungewöhnliche Verhalten sorgt für viele Fragen und manchmal auch für Unsicherheit. Ist Grasfressen bei Hunden normal? Wann ist es harmlos – und wann könnte es ein Hinweis auf gesundheitliche Probleme sein? In diesem Artikel beleuchten wir die wissenschaftlichen Hintergründe, klären die wichtigsten Ursachen und geben dir praktische Tipps, worauf du achten solltest.
Mögliche Gründe für das Grasfressen bei Hunden
Das Verhalten, Gras zu fressen, ist bei Hunden weit verbreitet. Studien zeigen, dass etwa 68-79% aller Hunde gelegentlich Gras oder andere Pflanzenmaterialien aufnehmen1. Hier sind die wichtigsten Erklärungen aus Sicht der aktuellen Forschung:
1. Normales, vererbtes Verhalten vom Wolf
Einer der häufigsten Gründe ist, dass Grasfressen ein natürliches, instinktives Verhalten darstellt. Wölfe und Wildhunde, die Vorfahren unserer Haushunde, nehmen regelmäßig pflanzliches Material auf – entweder direkt oder indirekt über den Mageninhalt ihrer Beutetiere2. Dieses Verhalten könnte dazu dienen, die Verdauung zu unterstützen oder unverdauliche Bestandteile auszuscheiden. Auch aktuelle Feldstudien an Wildhunden und Wölfen bestätigen, dass der gelegentliche Pflanzenverzehr Teil der natürlichen Ernährungsweise ist.
2. Nährstoffbedarf und Futterergänzung
Manche Experten vermuten, dass Hunde nach bestimmten Nährstoffen oder Ballaststoffen suchen, die ihnen in ihrer Hauptnahrung fehlen könnten. Besonders bei Hunden, die industriell gefütterte Alleinfuttermittel erhalten, wurde dieses Verhalten beobachtet. Allerdings gibt es bislang keine eindeutigen wissenschaftlichen Belege dafür, dass Hunde gezielt Gras als Nährstoffquelle nutzen1. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass fehlende Ballaststoffe oder sekundäre Pflanzenstoffe (z.B. Folsäure) einen Einfluss haben.
3. Unterstützung der Verdauung und bei Übelkeit
Ein weit verbreiteter Glaube ist, dass Hunde Gras fressen, um Übelkeit zu lindern oder Erbrechen auszulösen. In der Tat zeigen Beobachtungen: Viele Hunde erbrechen nach dem Grasfressen. Das Gras wirkt dabei vermutlich als Reizstoff auf die Magenschleimhaut und kann so das Auslösen des Würgereflexes fördern3. Es gibt jedoch auch zahlreiche Hunde, die Gras fressen, ohne anschließend zu erbrechen. Wissenschaftler vermuten daher, dass Grasfressen meist keine gezielte Selbstmedikation darstellt, sondern ein Beiprodukt des natürlichen Erkundungsverhaltens ist. Dennoch kann wiederholtes, mit Erbrechen verbundenes Grasfressen ein Hinweis auf Magenprobleme oder Unwohlsein sein.
4. Langeweile, Stress oder emotionale Auslöser
Bei manchen Hunden steckt Langeweile, Stress oder Frustration hinter dem Grasfressen. Haustiere, die nicht ausreichend beschäftigt werden, entwickeln häufiger stereotype Verhaltensweisen, zu denen das Kauen oder Fressen von Gras gehören kann4. Auch Situationen wie Trennungsangst, Umgebungswechsel oder Unterforderung können dazu führen, dass Hunde verstärkt Gras fressen. Das rhythmische Kauen kann beruhigend wirken und hilft, Stress abzubauen.
5. Geschmack, Textur und sensorische Neugier
Hunde sind neugierige Tiere und nehmen gerne neue Geschmacksrichtungen oder Texturen wahr. Viele Hunde scheinen bestimmte Grasarten gezielt auszuwählen – vermutlich weil sie den Geschmack, Geruch oder das Gefühl im Maul besonders mögen. Frisches, saftiges Gras kann eine willkommene Abwechslung zum gewohnten Futter darstellen. Forscher vermuten, dass sensorische Neugier und individuelle Vorlieben das Verhalten mitbestimmen5.
6. Ein gelegentliches, meist harmloses Verhalten
Für die meisten Hunde ist das Grasfressen ein gelegentliches, völlig harmloses Verhalten. Solange dein Hund gesund und munter ist, regelmäßig frisst und keine anderen Krankheitssymptome zeigt, besteht kein Grund zur Sorge. Insbesondere wenn das Verhalten nicht zwanghaft auftritt und nicht ständig zu Erbrechen führt, gilt Grasfressen als normale Erscheinung.
Wann solltest du dir Sorgen machen? Warnsignale erkennen
Auch wenn Grasfressen in den meisten Fällen ungefährlich ist, gibt es Situationen, in denen das Verhalten genauer beobachtet werden sollte:
- Häufiges Erbrechen nach dem Grasfressen: Wenn dein Hund nach dem Grasfressen regelmäßig erbricht oder offensichtlich unter Übelkeit leidet, kann dies auf Magen-Darm-Probleme wie Gastritis, Parasitenbefall oder Fremdkörper hindeuten. In diesem Fall solltest du einen Tierarzt konsultieren.
- Exzessives, plötzliches Grasfressen: Wenn dein Hund auffällig oft oder in großen Mengen Gras frisst und das Verhalten neu auftritt, kann dies ein Zeichen für Unwohlsein, Stress oder Mangelerscheinungen sein.
- Aufnahme von behandeltem oder fremdem Gras: Achte darauf, dass dein Hund kein Gras von gespritzten, gedüngten oder verunreinigten Flächen frisst. Pestizide, Herbizide und Düngemittel können zu Vergiftungen, Durchfall oder ernsthaften Organschäden führen6.
- Weitere Krankheitssymptome: Appetitlosigkeit, Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust oder Veränderungen im Kotabsatz sollten immer ernst genommen und tierärztlich abgeklärt werden.
Tipps für Hundehalter: So gehst du mit Grasfressen um
- Beobachte deinen Hund: Dokumentiere, wann, wie oft und in welchem Zusammenhang dein Hund Gras frisst. Gibt es erkennbar Auslöser oder Muster?
- Biete ausreichend Beschäftigung: Sorge für tägliche Spaziergänge, abwechslungsreiche Spiele und geistige Auslastung, um Langeweile zu vermeiden.
- Sichere die Futterqualität: Achte auf eine ausgewogene, hochwertige Ernährung mit ausreichendem Anteil an Ballaststoffen.
- Vermeide Risiken: Lass deinen Hund nicht auf belasteten oder öffentlichen Grünflächen fressen und halte ihn von Pflanzen fern, die für Hunde giftig sind (z.B. Maiglöckchen, Eibe).
- Bei Unsicherheit zum Tierarzt: Lieber einmal zu viel als zu wenig! Wenn du dir Sorgen machst oder dein Hund auffällig Gras frisst, suche professionelle Hilfe auf.
Fazit: Grasfressen bei Hunden – meist harmlos, manchmal ein Warnsignal
Grasfressen ist bei Hunden in den allermeisten Fällen ein normales, ungefährliches Verhalten, das auf natürliche Instinkte zurückgeht und verschiedene Ursachen haben kann – von Neugier und Geschmack bis zu emotionalen Auslösern. Nur selten steckt ein ernsteres gesundheitliches Problem dahinter. Beobachte deinen Hund aufmerksam, sorge für Beschäftigung und gesunde Ernährung. Bei anhaltendem, exzessivem Grasfressen oder begleitenden Krankheitssymptomen solltest du tierärztlichen Rat einholen. So stellst du sicher, dass dein Vierbeiner gesund bleibt und du das Verhalten richtig einordnen kannst.
Quellen & weiterführende Literatur
- Hart, B.L. (2008). Why do dogs and cats eat grass? Veterinary Medicine, 103(7), 480–481.
- Mech, L.D. (2007). Handbook of Wolf Ecology and Management. University of Chicago Press.
- Sueda, K.L.C., Hart, B.L., Cliff, K.D. (2008). Characterisation of plant eating in dogs. Applied Animal Behaviour Science, 111(1-2), 120–132. DOI: 10.1016/j.applanim.2007.05.011
- Rooney, N.J., Bradshaw, J.W.S. (2002). An experimental study of the effects of play upon the dog–human relationship. Applied Animal Behaviour Science, 75(2), 161–176.
- Houpt, K.A. (2018). Domestic Animal Behavior for Veterinarians and Animal Scientists. 6th Edition. Wiley Blackwell.
- Poisoning in dogs and cats: dangers of garden and household chemicals. Veterinary Record (2016). DOI: 10.1136/vr.i2664